Ich erzähle dir von jenem vertrauten Gefühl, fremd zu sein. Nicht immer hat es mit einem Ort zu tun. Es setzt sich fest in unseren Betten, es nistet sich ein unter unserer Haut, in unseren Herzen. Wir „Fremde“ haben eine Erklärung dafür. Wir sind Ausländer. „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde!!“ Wir leben hier und werden dem Ausland zugeordnet. Immerzu bewegen wir uns an der Grenze zwischen hier und dort. Wir ersticken im Hier, wir ersticken im Dort. Die Befreiung heißt reisen. Von hier nach dort, von dort nach hier. In Flugzeugen und Zügen und Gedanken reisen wir. Um zu atmen.

(D)ort setz sich mit dem weitläufigen Thema Diskriminierung kreativ – kritisch und künstlerisch auseinander.

Die kritische Reflexion von Diskriminierungen und Zuschreibungen gehört zu den zentralen Herausforderungen moderner Migrationsgesellschaften.

Gerade die vermehrten Individualisierungsprozesse, die Entstehung neuer sozialer Situationen innerhalb einer heterogenen Sozialstruktur und die Pluralisierung der Lebensstile als Folge von gesellschaftlichen Veränderungen können als Ursachen für den vermehrten Bedarf an einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Exklusion und Diskriminierung gesehen werden.

Mit unserem Projekt wollen wir uns individuell, strukturell und kulturell/diskursiv mit dem Thema Diskriminierung auseinandersetzen.

„Vor Ort“ bedeutet dabei auch, bei uns selbst anzufangen und sozusagen „vor der eigenen Haustür zu kehren“.
Zwar sieht sich Innsbruck als Weltstadt, das Bild, mit dem sich die Tiroler Landeshauptstadt verkauft, strotzt jedoch vor provinzieller Folklore und Klischees.

Das mag zwar eine wichtige Funktion für den Tourismus erfüllen, entspricht aber längst nicht mehr der Realität unserer Stadt und kann außerdem exkludierend wirken. Neben dem Schützenaufmarsch und der Blasmusikkapelle vor dem Goldenen Dachl gibt es eben noch ein „anderes“ Innsbruck, das seine Wurzeln oft in der „Fremde“ hat. Dönerläden, Shishabars und Sushirestaurants werden allgemein als eine Bereicherung der kulturellen Vielfalt des urbanen Zusammenlebens empfunden. Nicht immer ist das Zusammentreffen der Kulturen jedoch frei von Konflikten.

Der internationale Skandal um Wahlplakate, in denen vor „Marokkanerdieben“ gewarnt oder „Daham statt Islam“ gefordert wird, zeigt, dass Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile nach wie vor fest in unserer Gesellschaft verankert sind. Es sind jedoch nicht nur Menschen mit anderer Hautfarbe, Religion oder Herkunft von Vorurteilen betroffen. Zwar ist für einen Großteil der Gesellschaft mittlerweile eine rechtliche Gleichstellung durchgesetzt worden, dies gilt aber oft nur auf dem Papier. Am Pausenhof, in der Straßenbahn oder am Stammtisch sind „schwul“ oder „behindert“ immer noch als gängige Bezeichnungen, für alles was einem nicht passt oder stört, in Gebrauch.
Da nicht immer nur mit dem Finger auf andere gezeigt werden soll, ist das Ziel dieses Projekts, uns selbst mit alltäglichen Formen von Diskriminierung und Vorurteilen auseinanderzusetzen.

(D)ort folgt dem Bedürfnis, Diskriminierung in allen ihren Facetten zu untersuchen und in Frage zu stellen. Wenn man in Google „Innsbruck“ und „Diskriminierung“ sucht, findet man nicht ausreichende Informationen oder Veranstaltungen, die sich mit dem Thema beschäftigen.

Gibts in Tirol bzw in Innsbruck Diskriminierung? Wie diskriminierend bin ich? Und vor Allem: was heißt das? Wie fühlt man sich wenn man diskriminiert wird? Nicht nur Menschen mit einer anderen Hautfarbe haben mit Diskriminierung im Alltag zu kämpfen und nicht immer wird auf die Bedürfnisse dieser Menschen ausreichend Rücksicht genommen. Was heisst es, nicht gehen zu können?

Wie erlebt man Innsbruck als RollstuhlfahrerIn, als Blinde, als AusländerIn, als Homosexuelle?

Das Ziel ist eine umfassende Diskussion über dieses Thema, das uns sehr am Herzen liegt! Es ist erfahrungsgemäss sehr schwierig, sich eine Vorstellung von Diskriminierung zu machen, ohne sie am eigenen Leib zu erfahren!

*Das Projekt wurde durch das Land Tirol im Rahmen von TKI open gefördert